Drucksache - 2020/0162
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Sachverhalt:
Die FDP-Fraktion der Gemeinde Großenbrode hat mit E-Mail vom 19.05.2020 die Neubesetzung der Ausschüsse in der Gemeinde Großenbrode aufgrund der Veränderungen in der CDU-Fraktion gemäß § 46 Absatz 10 Gemeindeordnung verlangt. Das Verlangen ist für alle Ausschüsse gestellt worden.
Rechtsgrundlage: § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1 i. V. m. § 40 Abs. 4, § 46 Abs. 2 - 4 und Abs. 10, § 40 Abs. 1 - 3 GO
§ 40
Wahlen durch die Gemeindevertretung
(1) Wahlen sind Beschlüsse, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung als Wahlen bezeichnet werden.
(2) Gewählt wird, wenn niemand widerspricht, durch Handzeichen, sonst durch Stimmzettel.
(3) Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Bei Stimmengleichheit findet ein weiterer Wahlgang statt. Bei erneuter Stimmengleichheit entscheidet das Los, das die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung zieht.
(4) Bei Verhältniswahl (§ 46 Abs. 1) stimmt die Gemeindevertretung in einem Wahlgang über die Wahlvorschläge (Listen) der Fraktionen ab. Gemeindevertreterinnen und -vertreter und andere Bürgerinnen und Bürger (§ 46 Abs. 3) müssen in einem Wahlvorschlag aufgeführt werden. Die Zahl der Stimmen, die jeder Wahlvorschlag erhält, wird durch 0,5 - 1,5 - 2,5 usw. geteilt. Die Wahlstellen werden in der Reihenfolge der Höchstzahlen auf die Wahlvorschläge verteilt. Über die Zuteilung der letzten Wahlstelle entscheidet bei gleicher Höchstzahl das Los, das die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung zieht. Die Bewerberinnen und Bewerber einer Fraktion werden in der Reihenfolge berücksichtigt, die. sich aus dem Wahlvorschlag ergibt.
Bemerkungen:
- Wählbarkeit: jedes Mitglied der Gemeindevertretung; nach Maßgabe der Hauptsatzung auch wählbare Bürger/innen
- Vorschlagsrecht:
a) jedes Mitglied der Gemeindevertretung
b) Fraktion, wenn Verhältniswahl verlangt
- Wahlverfahren:
a) Meiststimmenverfahren
b) auf Verlangen einer Fraktion Verhältniswahl
- Art der Stellvertretung: Persönliche Vertretung oder Pool-Vertretung, die Vertretung durch die Stellvertretenden erfolgt in der Reihenfolge ihrer Wahl (§ 46 Abs. 4 i. V. mit § 33 Abs. 1 Satz 4 GO).
Die Wahl der Stellvertretenden sollte nach demselben Wahlverfahren wie die Wahl der originären Ausschussmitglieder erfolgen. Ein gemeinsamer Wahlgang ist zulässig, wenn keine/r widerspricht.
Wahlverfahren:
- Meiststimmenverfahren:
Es gilt die Einzelwahl für jeden Ausschusssitz. Falls kein Mitglied der Gemeindevertretung widerspricht, kann über die Besetzung eines gesamten Ausschusses, mehrerer oder auch aller Ausschüsse in einem Wahlgang abgestimmt werden (Blockwahl).
- Verhältniswahl: Das Verlangen muss für jeden Ausschuss einzeln gestellt werden. Falls kein Mitglied der Gemeindevertretung widerspricht, kann über die Besetzung mehrerer oder auch aller Ausschüsse in einem Wahlgang abgestimmt werden (Blockwahl).
Wahlvorschläge (Namenslisten) sind vorab zu hinterlegen. Ausschusssitze werden auf der Grundlage des Abstimmungsergebnisses (über eingereichte Listen) nach dem Verfahren Sainte-Lague / Schepers vergeben (anders: gebundenes Vorschlagsrecht auf der Basis der Fraktionsstärken).
- Verhältniswahl, erschöpfte Liste: Sollte eine Liste keine Namen mehr aufweisen, obwohl noch Höchstzahlen auf sie entfallen (z. B. weil in der Liste aufgeführte wählbare Bürger/innen übersprungen werden mussten), wechselt das Besetzungsrecht auf die Liste mit der nächsten Höchstzahl. Wird dies rechtzeitig vor der Wahl erkannt, kann die betreffende Fraktion bis zum Aufruf des Tagesordnungspunktes "Wahl zu den ständigen Ausschüssen" Listenbewerber/innen gegenüber der Bürgermeisterin / dem Bürgermeister nachbenennen. Die Liste sollte daher mehr Namen enthalten, als nach Sainte-Laguë / Schepers Sitze auf die Fraktion entfallen werden. Vergabe der letzten Wahlstelle bei gleichen Höchstzahlen: Über die Zuteilung der letzten Wahlstelle entscheidet bei gleicher Höchstzahl das Los, das die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung zieht (§ 40 Abs. 4 Satz 5 GO).
- Zählgemeinschaften:
Eine Fraktion kann auch Fraktionsfremde auf ihren Wahlvorschlag nehmen (sog. Zählgemeinschaft), allerdings nur im Rahmen der Grundsätze des sog. Tönisvorst-Urteils (BVerwG vom 10.12.2003) und des Urteils des BVerwG vom 09.12.2009.
Das Urteil findet ausschließlich Anwendung bei Ausschuss-Besetzungen, die im Wege der Verhältniswahl erfolgt sind, nicht z. B. beim Meiststimmenverfahren im Wege der en-bloc-Abstimmung (auch wenn das Wahlergebnis sich - nach vorheriger Verständigung der Fraktionen - an der Sitzverteilung nach Sainte-Laguë / Schepers orientiert).
Die Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung von Gemeindevertretung und Ausschüssen muss gewahrt bleiben, d.h., Zählgemeinschaften von Fraktionen zur Erlangung eines zusätzlichen Sitzes zulasten einer nicht an dem Wahlvorschlag beteiligten Fraktion sind unzulässig. Anders formuliert: Eine Zählgemeinschaft, die eine Kräfteverschiebung im Ausschuss zur Folge hat, ist unzulässig. Dies gilt auch, wenn dem gemeinsamen Wahlvorschlag eine durch einen Koalitionsvertrag vereinbarte Zusammenarbeit der Fraktionen zugrunde liegt.
Maßstab: Vergleich der Sitzzahlen, die die Zählgemeinschaft erlangt hat, mit den Sitz-zahlen, die die beteiligten Fraktionen mit eigenen Vorschlägen unter Zugrundelegung der aktuellen Fraktionsstärken erlangen würden.
Dieser Grundsatz gilt auch für einen Wahlvorschlag einer Fraktion mit Fraktionslosen, durch den eine nicht am Wahlvorschlag beteiligte Fraktion benachteiligt wird.
Ein Nachteil ist auch dann schon gegeben, wenn einer Fraktion die Option auf einen Losentscheid (letzter freier Ausschusssitz bei gleichen Höchstzahlen) genommen wird.
keine Zählgemeinschaft bei Losentscheid!
Bei der Aufnahme von wählbaren Bürger/innen in den Wahlvorschlag einer Fraktion liegt eine unzulässige Zählgemeinschaft stets dann vor, wenn die Aufnahme der betreffenden Person auf Wunsch einer anderen politischen Gruppierung erfolgt, diese als "Gegenleistung" für den Wahlvorschlag stimmt und die Stimmenbündelung eine Sitzverschiebung zu Lasten Dritter bewirkt. Entscheidend für die rechtliche Bewertung ist die den Wahlvorschlag tragende Absprache der beteiligten politischen Kräfte. Die Frage, ob ein bürgerliches Mitglied einer Partei / Wählergruppe eindeutig zugeordnet werden kann, ist eine Frage der Offenkundigkeit dieser Absprache und damit eine Frage der Nachweisbarkeit einer unzulässigen Zählgemeinschaft.
Zulässig sind Zählgemeinschaften, bei denen eine Fraktion einer anderen Fraktion einen ihr selbst zustehenden Sitz überlässt, ohne dass eine andere Fraktion benachteiligt wird (= Ausdruck inhaltlicher Zusammenarbeit). Der gemeinsame Wahlvorschlag kann den Namen einer, mehrerer oder aller beteiligter Fraktionen tragen.
Der Verzicht einer Fraktion auf Einreichung einer Liste und Abstimmung zugunsten der Liste einer anderen Fraktion, die nur deren Fraktionsmitglieder enthält, ist keine Zählgemeinschaft (Recht auf freie Stimmabgabe). Dieses Verfahren ist zulässig, auch wechselseitig zwischen Fraktionen.
Anlage: Fallbeispiele
- Beratendes Grundmandat
Kein Wahlvorgang, sondern Entsendung! Mindestanforderungen an die Entsendung: Schriftliche Benennung der beratenden Mitglieder und der Stellvertretenden gegenüber der Bürgermeisterin / dem Bürgermeister, die Angaben können auch in der Sitzung der Vertretung unmittelbar zu Protokoll gegeben werden.
Besetzung der Ausschüsse im Verhältniswahlverfahren:
Sitzzahlen der Gemeindevertretung: 13
CDU –Fr. (4) N.N.-Fr.(3) SPD-Fr. (2) FDP-Fr. (2) BfG –Fr. (2)
: 0,5 8(1) 6(2) 4(3,4,5) 4(3,4,5) 4(3,4,5)
: 1,5 2,66(6) 2(7) 1,33 1,33 1,33
: 2,5 1,6 1,2 0,8 0,8 0,8
: 3,5 1,14 0,85 0,57 0,57 0,57
: 4,5 0,88
Hinweis:
Die Besetzung der Ausschüsse erfolgt nicht nach der Sitzstärke der Fraktionen, sondern auf
der Grundlage des Abstimmungsergebnisses in der Sitzung. Nachfolgend wird davon ausgegangen, dass Sitzstärke und Abstimmungsergebnis übereinstimmen.
a) Finanzausschuss
insgesamt 7 Mitglieder, davon bis zu 3 wählbare Bürger
Besetzung:
CDU - Fraktion 2
N.N.-Fraktion 2
SPD - Fraktion 1
FDP - Fraktion 1
BfG - Fraktion 1
b) Bau- und Umweltausschuss
insgesamt 7 Mitglieder, davon bis zu 3 wählbare Bürger
Besetzung:
CDU - Fraktion 2
N.N.-Fraktion 2
SPD - Fraktion 1
FDP - Fraktion 1
BfG - Fraktion 1
c) Jugend- und Sozialausschuss
insgesamt 7 Mitglieder, davon bis zu 3 wählbare Bürger
Besetzung:
CDU - Fraktion 2
N.N.-Fraktion 2
SPD - Fraktion 1
FDP - Fraktion 1
BfG - Fraktion 1
Die Wahl der stellvertretenden Ausschussmitglieder kann zusammen mit der Wahl der Ausschussmitglieder erfolgen.
Bei Verhältniswahl werden die Mitglieder jedes Ausschusses in einem besonderen Wahlgang gewählt. Es kann auch über die Besetzung mehrerer oder aller Ausschüsse in einem Wahlgang abgestimmt werden.
Beschlussvorschlag:
Anlage/n:
Beispiele zu Zählgemeinschaften
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1 | Beispiele Zählgemeinschaften (131 KB) |