Drucksache - 2020/0304
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Sachverhalt:
Die Gemeinde Großenbrode erhebt eine Zweitwohnungssteuer aufgrund der Satzung vom 19.12.2013 in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 08.12.2015.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 10.04.2018 die Vorschriften zur Einheitsbewertung (Bewertungsgesetz) für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil die Anknüpfung an die Wertverhältnisse von 1964 zu erheblichen Wertverzerrungen führt (Stichwort: Grundsteuerreform). Das Problem bei der Zweitwohnungssteuer ist der § 4 (Steuermaßstab). Dieser Paragraph griff bislang auf Regelungen aus dem Bewertungsgesetz für die Ermittlung der so genannten Jahresrohmiete zurück.
Diese bisherige Ermittlung wurde mehrfach von der Schleswig-Holsteinischen Gerichtsbarkeit im Jahr 2019 als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz angesehen; somit ebenfalls für verfassungswidrig erklärt. Im Ergebnis führt diese aktuelle Rechtsprechung zur Ungültigkeit der Zweitwohnungssteuersatzungen.
Vor diesem Hintergrund ist eine Neufassung der einschlägigen Satzung, insbesondere im Hinblick auf die Erarbeitung neuer Berechnungsgrundlagen mit dem Ziel einer gerechteren verhältnismäßigen Wertevergleichbarkeit der Objekte notwendig. Gleichzeitig wurde aufgrund der strengen Anforderungen der Gerichte an die formelle Wirksamkeit kommunaler Satzungen die Eingangsformel der Satzung (Präambel) überarbeitet. Weitere redaktionelle Änderungen fanden ebenfalls Berücksichtigung.
Eine ausführliche Erläuterung dieser Thematik erfolgte vorab im Rahmen eines Gespräches mit den Fraktionssprechern/innen am 19.11.2020 im Hause der Amtsverwaltung. .
Neufassung : § 4 Steuermaßstab:
Für die Ermittlung der neuen Bemessungsgrundlagen müssen andere Tatbestände herangezogen werden. Ein wirklichkeitsnaher Maßstab für die Bemessung der Zweitwohnungssteuer wäre der tatsächliche finanzielle Aufwand des Zweitwohnungsinhabers, denn genau dieser löst die Steuerpflicht aus. Besteuert wird nämlich ein „besonderer Aufwand“, also eine Einkommensverwendung für Dinge, die über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehen (hier: das Innehaben einer zweiten Wohnung). Dies ist jedoch kaum verlässlich feststellbar. Die Verwendung eines fiktiven Mietwertes ist ebenfalls nicht geeignet, da ein Mietzins für die meisten Wohnungen nicht ermittelt werden kann, zumal diese größtenteils eigengenutzt werden. Insofern stehen keine verwertbaren Mietangaben zur Verfügung. Schlussendlich gibt es keinen Mietspiegel für den ländlichen Raum.
Als Ersatzmaßstab ist die Verwendung eines Flächenmaßstabes möglich, der eine erforderliche Differenzierung im Wesentlichen anhand der Gebäudeart, des Baujahres und der Lage vornimmt. Wie in § 4 Absatz 1 Zweitwohnungssteuersatzung dargestellt, bemisst sich die Steuer dann nach dem Lagefaktor und den das Objekt genau abbildende Daten (Faktoren), nämlich Wohnungsgröße, Baujahr und Gebäudeart.
Neu: Lagefaktor:
Zur Unterscheidung der Lagewerte der einzelnen Zweitwohnungen im Erhebungsgebiet nach § 4 Absatz 2 werden 6 Zonen gebildet und die Faktoren von der Gemeindevertretung beschlossen. Die Beträge für die Faktoren wurden in Anlehnung an die amtlichen Bodenrichtwerte für das Erhebungsgebiet festgesetzt. Der Bodenrichtwert wird vom Gutachterausschuss anhand tatsächlicher Verkäufe in einem bestimmten Zeitaum ermittelt, und zwar jeweils zum Ende jedes zweiten Kalenderjahres (amtliche Kaufpreissammlung). Hiervon wird der Durchschnitt gebildet. Ein die Lage abbildender Wertfaktor könnte insofern aus dem Verhältnis der Bodenrichtwerte in den bestehenden Bodenrichtwertzonen im Satzungsgebiet abgeleitet werden, um letztendlich auch den Anforderungen des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts Rechnung zu tragen.
Vor dem Hintergrund des weiten Ermessens- und Gestaltungsspielraums der Gemeinde sowohl bei der Wahl des Maßstabes, als auch bei der konkreten Ausgestaltung der gesamten Zweitwohnungssteuersatzung, finden die tatsächlich ermittelten und örtlich gegebenen Verhältnisse in der Gemeinde Großenbrode Berücksichtigung:
Lagefaktor Zone 1: Klaustorf, Lütjenbrode, Mittelhof/Feldscheide, Lütjenhof, zusätzlich wird die „von-Herwarth-Straße“ einbezogen: 50,00 €/m²
Lagefaktor Zone 2: der gesamte Ort, sowie die Straßenzüge „Meierhof“, „Suurfeld“, „Am Wald“, sowie alle weiteren Straßen, die nicht ausdrücklich einer anderen Zone zugeordnet sind: 100,00 €/m²
Lagefaktor Zone 3: die Straßen „Orthfeld“, „Großenbroderfähre“, „Rethsollskamp“ werden annährend gleich bewertet, ausgehend vom geringsten vorgegebenen amtlichen Richtwert wurde ein Durchschnittswert ermittelt, um dies auch so darzustellen: 110,00 €/m²
Lagefaktor 4: „Holiday Vital Resort“, Strandstraße 32. Vor dem Hintergrund dieses eigenständigen Resorts wird eine eigene Richtwertzone gebildet anhand der Vorgabe des Gutachterausschusses: 120,00 €/m²
Lagefaktor 5: Südstrand/Promenade (einschließlich der Häuser „Strandpark“, „Bellevue“, „Belvedere“, „Vier-Jahreszeiten“, „Atlantis“). Der amtliche Richtwert wird zur Vergleichbarkeit ein wenig gesenkt, jedoch wird die Lage als gut eingestuft: 200,00 €/m².
Lagefaktor 6: Einordnung Straßenzug „Am Hohen Ufer“, einbezogen sind die Häuser „Hamburg“ und „Berlin“ und die Straße „Am Kai“. Hier wird der amtlichen Bewertung von 300,-- €/m² nicht gefolgt. Jedoch ist die herausragende Objektlage zu berücksichtigen, insofern ist hierfür ein Wert von 220,-- €/m² anzusetzen.
Neu: Quadratmeter:
Die Wohnfläche nach § 4 Absatz 3 stellt einen geeigneten Wert zur Unterscheidung des Aufwandes für den einzelnen Zweitwohnungsinhaber und für die Berechnung der Steuer dar (größere Zweitwohnung = höhere Zweitwohnungssteuer).
Neu: Baujahre:
Zur Differenzierung der verschiedenen Baujahre wurden Faktoren gebildet (§ 4 Absatz 4). Für das aktuelle Jahr ist ein fester Faktor vorgesehen, verbunden mit linearen Abschlägen für die Vorjahre und linearen Zuschlägen für die Folgejahre (siehe Tabelle im Satzungsentwurf). Anzumerken ist, dass grundsätzlich für alle Altbauten vor 1950 einheitlich mit dem Faktor 1,5 gerechnet wird. Ausnahmen gibt es in den Einzelfällen, in denen nachweislich konkrete Daten einer späteren Sanierung bekannt werden.
Neu: Faktor für die Gebäudeart:
Für die Gebäudearten wurden ebenfalls Faktoren gebildet (§ 4 Absatz 5).
Weiterhin: Verfügbarkeitsgrad nach § 4 Absatz 6:
In Fällen, in denen sowohl Eigennutzung als auch Vermietung an Dritte erfolgt (so genannte „Mischnutzung“) wird die nach § 4 Absatz 1 bis Absatz 5 ermittelte Bemessungsgrundlage mit dem Verfügbarkeitsgrad multipliziert = Umfang der Verfügbarkeit.
§ 5 Steuersatz
Zur Berechnung der jährlichen Höhe der Zweitwohnungssteuer wird der ermittelte Steuermaßstab nach § 4 mit dem Steuersatz nach § 5 multipliziert.
§ 11 Inkrafttreten
Für die Neufassung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer ist ein Inkrafttreten rückwirkend zum 01.01.2016 beabsichtigt. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat in seinen Urteilen ausdrücklich klargestellt, dass die Kommunen gemäß § 2 Absatz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) berechtigt sind, ungültige Zweitwohnungssteuersatzungen rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen. Im Falle eines rückwirkenden Inkrafttretens muss allerdings das Schlechterstellungsverbot beachtet werden.
Beschlussvorschlag:
Die im Entwurf vorliegende Satzung der Gemeinde Großenbrode über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer ist zu erlassen. Die Satzung tritt rückwirkend zum 01.01.2016 in Kraft und ersetzt ab diesem Zeitpunkt die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Großenbrode vom 19.12.2013 einschließlich der ergangenen Nachtragssatzungen.
Die Gemeindevertretung ermächtigt den Bürgermeister, die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer auszufertigen.
Anlage/n:
Neufassung der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde Großenbrode – öffentlich
Analyse der Daten Gemeinde Großenbrode – nichtöffentlich
Übersicht Bodenrichtwerte – nichtöffentlich
Neuberechnung Zweitwohnungssteuer Gespräch mit den Fraktionssprechern/-innen 19.11.2020 - nichtöffentlich
Anlagen: | |||||
Nr. | Name | ||||
1 | Muster neue Satzung 2020 Großenbrode Entwurf (204 KB) |